Der Tag in Santa Cruz – ein Rückblick

23:27 Uhr Ortszeit, von Anke und Stefan

Nach einem herrlichen Abendessen bei Eloy und Negra in der hermetisch abgeriegelten „Ciudad Real“ mit typisch bolivianischem Essen aus Sucre, einer abgewandelten Form von Coq au Vin, und dem kräftig-weichem bolivianischen Rotwein sitzen wir noch auf eine Cerveza in der Hotelhalle und erinnern uns an den Tag.

Nach der Probe trafen wir im Hof des Museo del Arte Contemporanea, wo alle Musiker mit Mittag und Abendessen versorgt werden (von mit Mundschutz bewaffneten Essensausgebern), auf sechs bolivianische und chilenische Musiker, die uns von ihrer Gruppe erzählten, die sich aus Bolivianern, Chilenen und Engländern zusammensetzt. Wir verabredeten einen Probenbesuch bei ihnen am Abend und ein Cello-Duett für morgen. Nachmittags bummelten wir zu viert (mit Fabian und Bärbel) durch das jetzt werktäglich belebte Santa Cruz. Im ersten Kunsthandwerksladen fanden wir endlich Postkarten. Da wir deutlich als Touristen zu erkennen waren in der an Europäern armen Stadt, wollte uns ein Geldwechsler mit frischen Bolivianos versorgen, was wir dankend ablehnten. Nach einem kleinen Kaffee zogen wir einige Blocks weiter, an Straßenverkäufern und kleinen Läden vorbei, immer vor der stechenden Mittagssonne geschützt durch die typischen schmalen Arkaden. Der von uns angestrebte Parco del Arenale entpuppte sich als zubetonierte Fläche mit einer Gewässer-Anlage und ein paar Bäumen. Wir ließen ihn schnell hinter uns in Richtung eines Marktes. Unter blauen Planen verkaufen Tausende von Händlern auf Ständen, Handwagen und Bauchläden alle Dinge des täglichen Bedarfs, von Bananenburgen, Riesentorten über Schuhe, Hochzeitsschmuck, Pyramiden von Shampoo bis hin zu Getränken in merkwürdigen Farben. Das Gewusel zog sich über mehrere Häuserblocks hin.

Die abendliche Probe der Drei-Länder-Combo war beeindruckend. Sehr gute junge Musiker mit Gambe, Lauten und „normalen“ Violinen übten mit einem kleinen Chor eine Messe, wohl eines der Stücke, die 300 Jahre vergessen in einer der jesuitischen Missionen gelegen hatten, bevor sie um 1990 bei der Restauration der Kirchen wiederentdeckt wurden. Dieser Fund (durch den Architekten Hans Roth) und ihre Restauration und Neuedition durch Piotr Nawrot gab den  Anstoß zu einer beeindruckenden Entwicklung: In San José wurde uns etwa erzählt, dass seit 20 Jahren gezielt Instrumentalunterricht angeboten wird und nun der erste „eigene“ Lehrer unterrichtet, und dass in der kleinen Stadt vier Streichorchester existieren. Wir erlebten die Kinder und Jugendlichen, wie sie mit großen Augen in unsere Probe und unser Konzert kamen und voll aufmerksamer Begeisterung zuhörten. Da spielt es offenbar eine große Rolle, dass Musik „aus der Gegend“ vorhanden ist und mit dieser an eine vergessene Tradition angeknüpft werden kann.  Dadurch, dass die jungen Menschen die Musik vorführen, erfahren sie eine besondere Art von Anerkennung und fühlen sich verbunden mit sowohl der europäischen als auch der indigenen Kultur.

Wir verstehen von Tag zu Tag besser das große Unterfangen dieses Festivals, wo sich viele hundert Musiker (meist junge, wir sind wohl das älteste Ensemble!) aus vielen Ländern treffen. Gern hätten wir viel mehr Zeit, um andere Ensembles zu hören, und nicht nur in der Schlange bei der Essensausgabe ein paar spanisch-englische Sätze auszutauschen.

Morgen werden wir mit dem besten Cembalo der Region (zwei Manuale!) unser letztes Konzert geben! Wir sind traurig, dass diese intensive, erlebnis- und kontrastreiche Zeit schon zu Ende geht…

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